Thema Eiche

Die Eiche wird auch in einem Nationalpark bleiben

Der Stein des Anstoßes

Nicht nur die Forst- und Holzwirtschaft, sondern auch einige Vertreter des Naturschutzes sehen die traditionelle Eichenwirtschaft im Spessart als schwerwiegendes Argument gegen einen Nationalpark. Die einen fürchten Ertragseinbußen und Rohstoffverluste, die anderen glauben, dass die Artenvielfalt nur mit hohen Eichenanteilen zu sichern sei und bei einer natürlichen Waldentwicklung verloren ginge.

Dass die berühmten Spessarteichen zu einem wertvollen Wirtschaftsgut geworden sind, ist unbestritten. Wie sehr aber ihre ökologische Qualität unter der Forstwirtschaft zu leiden hat, dürfte weniger bekannt sein. Der folgende Beitrag deckt Fakten und Hintergründe auf. Daraus wird ersichtlich, dass gerade ein Nationalpark die Eiche fördern würde.

Der größte Feind der Eiche ist nicht die Buche, sondern die Motorsäge

Zu Beginn der Bayerischen Zeit um 1814 lag der Baumartenanteil der Eiche im Spessart bei etwa 40 %. Bis dahin waren aus systematischer Eichennachzucht nur wenige Jungbestände hervorgegangen und die Eichennaturverjüngung spielte eine vernachlässigbare Rolle (1). Wir können deshalb davon ausgehen, dass die Eichenvorräte der damaligen Zeit zum weit überwiegenden Teil aus mehrhundertjährigen Uralteichen bestanden. Wenn heute von der Eiche als Charakterbaumart des Spessarts die Rede ist, scheint vor allem dieser Umstand im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben zu sein. Die heutigen Realitäten sehen zwar völlig anders aus, aber gerade die Forstwirtschaft hat ein vitales Interesse daran, am Mythos vom „Eichenwald Spessart“ festzuhalten und nicht als Totengräberin alter Eichen entlarvt zu werden. Schauen wir uns dazu einige wesentliche Fakten genauer an.

Mit dem Beginn der geregelten und wissenschaftsbasierten Forstwirtschaft wurde der immense Alteichenvorrat nach und nach abgebaut. Dieser Prozess setzte sich bis in die jüngere Vergangenheit fort und erreichte im Zeitraum zwischen 1960 und 1980 nochmals einen traurigen Höhepunkt. Bei den jährlichen Werteichenversteigerungen wurden damals Tausende Festmeter der uralten Baumveteranen auf riesigen Holzlagerplätzen zur Schau gestellt und die Bayerische Staatsforstverwaltung brüstete sich mit traumhaften Holzerlösen. Der Stamm mit dem höchsten Verkaufserlös wurde als sogen. „Braut“ gekürt.

Das Ergebnis dieses lukrativen Geschäftes war nicht nur ein gewaltiger Aderlass bei den berühmten Spessarteichen, sondern deren weitgehendes Verschwinden aus unseren heimischen Wäldern. Mit nachhaltiger Forstwirtschaft im umfassenden, also auch ökologischen Sinne, hatte diese Waldbaupraxis nicht das Geringste zu tun. Überall im Hochspessart zeugen noch heute die abgesägten Stöcke der einstigen Baumriesen von diesem beispiellosen Zerstörungswerk. Selbst der bekannte Heisterblock als letztes Relikt aus dieser großen Zeit der uralten Eichen ist in den vergangenen 50 Jahren von 500 Hektar auf nicht einmal 300 Hektar geschrumpft. Als der Forstbetrieb Rothenbuch zuletzt im Jahre 2011 Hand an den Heisterblock legen wollte, sorgte die Intervention des Bund Naturschutz für die Einstellung weiterer Hiebe. Niemand von denen, die sich heute angesichts der Nationalparkdebatte für die Eiche so stark machen, sah auch nur den geringsten Anlass, das Vorgehen der Bayerischen Staatsforsten zu kritisieren. Auch viele Wanderer sangen weiterhin und unbekümmert ihre sogenannte Spessarthymne „Weißt Du, wo die Eichen trutzig ragen….“ Heute feiert die BaySF den auf Druck der Naturschutzverbände erwirkten Nutzungsverzicht in einigen alten Wäldern (Klasse I-Wälder) als ihren Erfolg.

Wer nun glaubt, dass durch die Eichennachzucht im Spessart ähnlich alte Bestände nachwachsen, muss sich bei näherer Beschäftigung mit dem Thema getäuscht sehen. Der durchschnittliche Produktionszeitraum für Furniereichen im Spessart lag bisher schon bei nur 240 Jahren und soll in Zukunft weiter abgesenkt werden. Das bedeutet, dass die Eichen in diesem noch recht jungen Altersstadium als hiebsreif gelten und bis auf wenige Exemplare geerntet werden.

Die Artenvielfalt im Spessart hängt an nur wenigen uralten Beständen

Nahezu alle von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Bayern (LWF) belegten Funde sehr seltener Arten, darunter mehrere spektakuläre Urwaldreliktarten, stammen aus dem 350 bis 400 Jahre alten Eichen-Heisterblock und aus den Naturschutzgebieten Rohrberg, Eichhall und Metzgergraben-Krone(2). Berühmtheit hat dieses zusammen etwa 400 Hektar große Waldgebiet nur wegen seiner absoluten Seltenheit im deutschen Wald erlangt. In diesem Sinne sind solche „Prunkstücke“ weniger ein Ruhmesblatt als vielmehr ein Armutszeugnis für die Forstwirtschaft.
Der restliche, rund 7000 Hektar große Eichenbestand des Spessarts ist selten über 200 Jahre alt und hebt sich hinsichtlich seiner Artenvielfalt kaum von durchschnittlichen Verhältnissen ab. In diesen Waldbereichen kann man allenfalls die reine Lehre der Furniereichenzucht studieren.

Tatsächlich sind die wenigen Hotspots der Artenvielfalt räumlich isolierte und deshalb genetisch instabile Teilpopulationen, die bei Fortsetzung der regulären Forstwirtschaft auf das äußerste bedroht sind. Ein Nationalpark im Spessart würde die besten Voraussetzungen schaffen, um eine kohärente Vernetzung nicht mehr überlebensfähiger Teilpopulationen sicherzustellen. Die flächenmäßige Ausstattung der einzelnen Altersklassen im Eichenwirtschaftswald lässt diese Möglichkeit nämlich nicht mehr zu. Grund dafür ist eine ausgeprägte Lücke in der Altersstufe zwischen ca. 220 und 350 Jahren. In dieser für die Artenvielfalt entscheidenden Altersphase finden sich nahezu keine Eichenbestände. Anderslautende Aussagen, z.B. von Eberhard Sinner, dass die Forstleute über Generationen hinweg eine gleichmäßige Verteilung der Altersklassen der Eichen vom Alter 1 bis zum Alter 300 Jahre geschaffen hätten, sind definitiv falsch. Umso wichtiger wäre es, dass die Forstwirtschaft für entsprechenden Nachschub sorgt und die jetzt noch jüngeren Bestände alt genug werden lässt.

Bayerische Staatsforsten (BaySF) lassen die Eiche nicht mehr alt werden

Die von Naturschützern gehegte und von der BaySF trotz besseren Wissens genährte Hoffnung baut darauf auf, dass auch die noch jüngeren Eichenbestände in ferner Zukunft die gleiche Artenvielfalt entwickeln werden, wie wir sie aus dem heutigen Heisterblock kennen. Euphorisch werden eher mehr als weniger Eichenbestände gefordert. Leider entpuppt sich diese Einstellung als schwerwiegender Irrtum, sobald man sich mit den modernen Behandlungskonzepten der BaySF zur Eiche näher befasst. Diese lassen hohe Bestandsalter nämlich nicht mehr zu, und zwar aus folgendem Grund:

Das Unternehmensziel der BaySF besteht nicht darin, ökologisch hochwertige, alte Wälder zu produzieren, sondern starkes, gesundes Holz in möglichst kurzer Zeit zu ernten. Der Schlüssel dazu liegt in einem Wuchsbeschleunigungs-effekt, der durch stärkere Durchforstungen erzielt werden kann. Die Zielsetzungen moderner Eichenpflege gehen genau in diese Richtung und werden durch die Wissenschaft bestätigt. Eine wesentliche Grundlage dafür liefern die Ergebnisse von Durchforstungsversuchen der TU München im Forstbetrieb Rothenbuch (nahe Gasthaus Echterspfahl). Prof. Dr.Dr. Mosandl schreibt dazu: „Das Hauptziel der Eichenwirtschaft ist die Erzeugung von wertvollem, furniertauglichem Eichenholz mit rationellen Mitteln. Die Produktionszeit sollte dabei deutlich unter der im klassischen Spessarteichenpflegekonzept veranschlagten Umtriebszeit von ca. 240 Jahren liegen. Eine Produktionszeitverkürzung um 60 Jahre, ohne dass Qualitätseinbußen des Eichenwertholzes zu erwarten sind, scheint den Versuchsergebnissen zufolge machbar“(3). Mosandl hält es außerdem für realistisch, dass der heute für Furniereichen angestrebte Zieldurchmesser von 80 cm in Brusthöhe in dieser kurzen Zeitspanne erreicht werden kann.

Die Empfehlungen der Wissenschaft und das Handeln der Praxis werden bewirken, dass das Leben künftiger Eichengenerationen mit ca. 180 Jahren enden wird, also nach knapp der Hälfte des Alters, das unsere berühmten Spessarteichen heute haben. Dies hat gravierende Folgen für die Artenvielfalt und wird nicht nur die ökologische Qualität von Eichenbeständen deutlich reduzieren, sondern auch die Hoffnungen des Naturschutzes enttäuschen. Einen zweiten Heisterblock im Spessart wird es nicht mehr geben!

Wir können mit Fug und Recht annehmen, dass die Forstwirtschaft nicht das geringste Interesse daran hat, in uralten Eichenbeständen jede Menge verfaultes Holz zu produzieren und bei der Holzernte in Konflikt mit außergewöhnlich vielen Biotopbäumen zu geraten. Das Überleben kläglicher Reste des einst viel größeren Heisterblockes ist deshalb eher als forstlicher Unfall als das Ergebnis planmäßiger Forstwirtschaft zu bezeichnen. Wenn unzählige Waldführungen aber genau das als großartige Leistung der Forstwirtschaft herausstellen, was man künftig nicht mehr haben will, so ist das eine unglaubliche Irreführung der Öffentlichkeit.

Den Blick auf die Buche richten

Vor diesem Hintergrund wäre es für den Naturschutz viel wichtiger, den Blick auf das hohe ökologische Potential der für den Spessart typischen Buchenwälder zu richten. Diese schneiden im Vergleich mit Eiche vor allem deshalb schlechter ab, weil sie -forstlich bedingt- ihre zweite Lebenshälfte nicht erreichen dürfen und dadurch auch nicht zeigen können, was in ihnen steckt. Denn nicht nur die Pilze, sondern auch die epiphytische Flechten- und Moosflora sowie die Wirbellosenfauna profitieren in hohem Maße von Reife, Struktur- und Totholzreichtum in Buchenwäldern.
In ihrem Beitrag „Die Buche in Mitteleuropa“ (AFZ – Der Wald 13/2005) heben die Autoren Ch. Kölling, H. Walentowski und H. Borchert diesen Aspekt besonders hervor, wenn sie schreiben: “Verschiedene Tierarten, die früher fälschlich als „Eichenwaldarten“ galten, wie der nach der FFH-Richtlinie prioritäre Eremit (Osmoderma eremita), der Mittelspecht (Dendrocopus medius) oder der Halsbandschnäpper (Ficedula albi-collis), kommen auch in starken Populationen in alten Buchenwäldern vor. Diese sind aber so selten geworden, dass bislang die Vorkommen in Eichenwäldern als „typischer“ galten. Man spricht deshalb von einem katastrophalen Mangel an reifen Buchenbeständen und meint damit Buchenwälder in der Zerfallsphase“. Vor diesem Hintergrund sollte man darauf verzichten, die beiden Hauptbaumarten des Hochspessarts im Hinblick auf die Wertigkeit ihrer Biozönosen gegeneinander auszuspielen. Beide haben ihren eigenen Wert und beide leiden unter den lebensverkürzenden Eingriffen der Forstwirtschaft.

Stabile Naturwälder besser als ökologisch labile Kunstforste

Bei der Eichenwirtschaft im Spessart geht es nicht einfach nur um die ökologisch sinnvolle Beteiligung einer heimischen Baumart am Waldaufbau, sondern um die brachiale Durchsetzung forstwirtschaftlicher Ziele gegen die Natur. Erreichbar sind diese nur durch rationelle und großflächige Arbeitsverfahren, wie sie für den Altersklassenwald und die daran gebundene Kahlschlagswirtschaft typisch sind. Auf dem Schlachtfeld mehrfach aneinander gereihter Kahlhiebe, einhergehend mit der Beseitigung fast der gesamten Biomasse und anschließender Bodenbearbeitung wurden auf großen Flächen äußerst schutzwürdige und an alte Wälder gebundene Arten rücksichtslos geopfert. Bis dahin noch stabile Populationen wurden an den Rand ihrer Existenz gedrängt. Die Forstwirtschaft im Spessart hätte daher allen Grund, dieses dunkle Kapitel mit schwersten Verstößen gegen den Artenschutz ehrlich aufzuarbeiten und nicht als Großtat der angeblich ruhmreichen Spessarter Eichenwirtschaft zu feiern. (Weiterführende Texte mit aufschlussreichem Bildmaterial unter: www.spessart-wald.de/bayern/forstwirtschaft/die-eichenwirtschaft).

Abgesehen von der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz solcher Konzepte, führen diese auf lange Sicht zu instabilen Verhältnissen und sind deshalb nicht nachhaltig. Was als Jahrhunderte lang bewährte Methode der Eichennachzucht dargestellt wird, könnte sich im Klimawandel als großer Fehler erweisen. Die ersten Anzeichen dafür sprechen eine deutliche Sprache. Der Forstbetrieb Rothenbuch erntet mittlerweile einen Großteil seines Eichen-einschlages nicht mehr im Zuge regulärer Nutzungen, sondern als „zufällige Ergebnisse“. Ursache dafür sind Ausfälle durch wärmeliebende Schadinsekten, die aufgrund naturwidriger Waldbaumethoden und steigender Durchschnitts-temperaturen deutlich zunehmen (4). Die Bekämpfung des Eichenprachtkäfers mit gleichzeitiger Totholzvermeidung ist zu einer Daueraufgabe der Bayerischen Staatsforsten geworden (5). Nicht zu vergessen sind die wiederkehrenden Gifteinsätze, die in früheren Jahrzehnten gegen blattfressende Schmetterlingsraupen an Eiche unternommen wurden und auch in Zukunft nicht ausgeschlossen sind.

Der Eichenwirtschaftswald ist ein forstliches Kunstprodukt und daher nur im ständigen Reparaturbetrieb aufrecht zu erhalten. Es ist deshalb völlig abwegig, in einem FFH-Gebiet, das den Schutz des Lebensraumtyps „Hainsimsen-Buchenwälder“ zum Ziel hat, die Eiche zum Charakterbaum des Spessarts zu stilisieren, um mit ihr einen Nationalpark zu verhindern.

Die Eiche wird auch in einem Nationalpark bleiben

Aufgrund der genannten Tatsachen wäre es sinnvoll, den Anteil der Eiche im Hochspessart auf ein ökologisch verträgliches Maß zurückzuführen. Ein Nationalpark würde sich aufgrund natürlicher Abläufe genau in diese Richtung entwickeln und der überall zur Eiche beigemischten, aber forstlich unterdrückten Buche zu ihrem Recht verhelfen. Die Eiche als natürliche Baumart des Spessarts würde sich auf den ihr zusagenden Standorten weiterhin behaupten und deshalb mit Sicherheit nicht verloren gehen. In geringen Mischungsanteilen statt in unnatürlich großen und bestandsbildenden Blöcken wird die wärmeliebende Eiche vom Klimawandel profitieren, an relativer Konkurrenzkraft gegenüber der Buche gewinnen und zu einem stabilisierenden Faktor in der natürlichen Waldgesellschaft werden.

Der Spessart ist daher in hohem Maße geeignet, sich in einen Zustand zu entwickeln, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet. Im Gegensatz zu anderen Nationalparks, wo in den Entwicklungszonen hohe Nadelholzanteile aktiv zurückgenommen werden müssen, würde sich der Prozess hin zu mehr Naturnähe in den Laubwaldgebieten des Spessarts von alleine vollziehen.

Sollte daran gedacht werden, auch in einem Nationalpark höhere Eichenanteile zu sichern, so wäre dies in der sogenannten Pflegezone auf rund 25 % der Fläche möglich. Im Gegensatz zum typischen Eichenwirtschaftswald könnten die Bäume in einem Schutzgebiet dann aber ihr natürliches Lebensalter erreichen und ihr Potential für die Biodiversität voll entfalten. Ein Nationalpark wäre daher ein Rettungsprogramm für die Eiche und würde eben nicht zu ihrer befürchteten Ausrottung führen!

Abgesehen davon stünden außerhalb eines vermutlich nur 10 000 Hektar großen Nationalparks im bayerischen Spessart noch rund 98 000 Hektar Waldfläche für die reguläre Eichenwirtschaft zur Verfügung. Die Eichenfreunde und Nationalparkkritiker müssen sich fragen lassen, warum das Überleben der Eiche eigentlich nur vom Staatswald im Hochspessart abhängen sollte. Es ist jedem Waldbesitzer außerhalb dieses Gebietes unbenommen, etwas für die Eiche zu tun und beste Qualitäten zu erzeugen. Die natürlichen Voraussetzungen dazu sind gegeben.

 

Weitere, im Text nicht genannte Quellen:
(1) Vanselow, K. (1926): Die Waldbautechnik im Spessart, Verlag Julius Springer, Berlin
(2) Bussler, H. (2010): Hotspot-Gebiete xylobionter Urwaldreliktarten aus dem Reich der Käfer, LWF Aktuell 76/2010.
(3) Mosandl, R., Paulus, F. (2002): Rationelle Pflege junger Eichenbestände, AFZ Der Wald 11/2002.
(4) Petercord, R. (2015): Rolle der Eichenfraßgesellschaft beim Eichensterben, AFZ Der Wald 8/2015.
(5) www.spessart-wald.de zum Thema Eichenprachtkäfer und Totholzvermeidung, aufgerufen am 08.09.2016.