Die Spessartforstrechte im Lichte eines potentiellen Nationalparkes im Spessart
Im Kontext der Nationalparkdiskussion muss vorweg darauf hingewiesen werden, dass die sogenannten Spessartforstrechte nur im Staatswald gelten. Dieser nimmt im Spessart eine Fläche von rund 42 000 ha ein. Ein Nationalpark mit einer voraussichtlichen Größe von rund 10 000 ha hätte zur Folge, dass auf mindestens drei Viertel der Staatswaldfläche die Spessartforstrechte weiterhin ausgeübt werden könnten.
Die Holzrechte im Spessart werden nach dem Vergleich vom 13. Dezember 1866 in die Kategorien „Ur- und Leseholz“, “Stockholz“, „Windfall-, Schneedruck- und Eisbruchholz“, „Pflug- oder Rüsterholz“, „Bauholz“ sowie „Oberholz“ unterschieden.
Ihre Entstehung geht auf die Zeiten größter Not im Spessart zurück, wo es weder Öl noch Kohle zum Heizen gab. Die heutigen Lebensumstände sind mit den damaligen nicht im Entferntesten vergleichbar, weshalb auch die Rechte selbst nur als blanker Anachronismus bezeichnet werden müssen. In der vorgeschriebenen Form sind sie auf die heutige Zeit nicht mehr übertragbar und deshalb auch unattraktiv geworden. Wenn eines dieser Rechte heute überhaupt noch eine Rolle spielt, dann ist es das im Folgenden näher beschriebene Oberholzrecht.
Das Oberholzrecht
Mehr Schein als Sein
Nach dem Rechtsbeschrieb für Oberholz bezieht sich das Aneignungsrecht nur auf Brennholz in der Dimension ≤ 88 cm Länge und ≤ 4,4 cm mittlerer Durchmesser. Erst mit der „Erleichterung der Ausübung der Spessart-Oberholzrechte“ durch Vereinbarung vom 04.11./ 10.11.1978 zwischen der damaligen Staatsforstverwaltung und dem Verband der Spessartforstberechtigten e.V. wurde den Rechtlern zugestanden, sich „alles Holz“ anzueignen, das zum Zeitpunkt der Freigabe noch unaufgearbeitet im Hieb liegt.
Es ist wichtig zu wissen, dass nicht alles unaufgearbeitete Holz, das unmittel-bar nach Beendigung eines Hiebes im Wald liegt, automatisch den Rechtlern gehört. Tatsache ist, dass die BaySF alle nur halbwegs interessanten Brennholzschläge zuerst für zahlende Selbstwerber öffnet und erst danach dieselben Waldorte in einer jeweils dreiwöchigen Frist im Frühjahr und Herbst für die Rechtsholznutzung frei gibt. Je nachdem, wie lange die Selbstwerber für die Aufarbeitung brauchen, werden die Hiebe häufig erst ein Jahr später für die Rechtler frei gegeben. Dies hat zur Folge, dass in den frei gegebenen Hieben oft nur noch verstocktes (wertgemindertes) und/oder sehr dünnes Holz übrig bleibt. Das aus verbandspolitischen Gründen so stark überhöhte Spessartforstrecht ist daher in Wahrheit mehr Schein als Sein.
Unter diesen Umständen machen die Spessarter nur noch in geringem Umfang von ihrem Recht Gebrauch; sie zahlen lieber, wenn sie dafür frisches Brennholz in ausreichender Menge bekommen. Wer im ausgehenden Winter im Staatswald unterwegs ist, erkennt sehr schnell, dass der Großteil des Brennholzes außerhalb der dreiwöchigen Rechtsholzfristen aufgearbeitet und gekauft wird. Immer mehr Menschen gehen auch dazu über, an Forstwege gerücktes Industrieholz als Brennholz zu kaufen. Sie sparen sich damit viel Arbeit und bekommen beste Qualitäten.
Nach einer Veröffentlichung von Richard Krebs in der Main-Post (Main-Spessart Ausgabe vom 12.01.2016) sind 44 Gemeinden beziehungsweise Ortsteile mit rund 65 000 berechtigten Bürgern im Spessart „forstberechtigt“. In einem Artikel des Main-Echos vom 12./13.11.2016 mit dem Titel“ Brennholzangebot jetzt online abfragen“ berichten die Forstbetriebe Heigenbrücken und Rothenbuch von zusammen rund 1150 Brennholzmachern. Da diese Personen erfahrungsgemäß weitgehend identisch mit den Rechtlern sind, wird damit eingeräumt, dass nur noch ein verschwindend ge-ringer Teil der Berechtigten sein Recht ausübt. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung im Spessart ist der Anteil aktiver Rechtler noch weitaus unbedeutender und in der Nationalparkdiskussion ohne besonderes Gewicht.
Aus den genannten Gründen hat das Oberholzrecht seine einstige Bedeutung fast völlig verloren und die große Mehrheit der Bevölkerung weiß nicht ansatzweise über Details ihrer Rechte Bescheid. Sogenannte Rechtlerversammlungen finden im engen Kreis der Bürgermeister und i.d.R. unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wenn überhaupt Informationen nach außen dringen, werden die Bürger mit Rechtsbeschrieben in der unverständlichen Sprache des 19. Jahrhunderts konfrontiert. Von einer geordneten Ausübung der Rechte im Sinne bestehender Regeln und Vereinbarungen kann daher überhaupt keine Rede sein. Auch das Forstpersonal handelt nicht einheitlich im Sinne von Chancengleichheit für alle Berechtigten.
Kein Rechtsanspruch auf Geschenke
Als Besonderheit ist zu erwähnen, dass im Zuge der Brennholzvergabe an Selbstwerber das dünnere Prügelholz i.d.R. kostenlos mit abgegeben wird. Dies geschieht in großem Stil außerhalb der öffentlich bekannt gemachten Fristen in nicht für Rechtsholz frei gegebenen Hieben und ist damit alles andere als rechtskonform. Es ist rechtlich gesehen nichts anderes als ein Geschenk der BaySF an die Bevölkerung und ist weder durch den Rechtsbeschrieb von 1866 noch durch die Vereinbarung zur erleichterten Ausübung des Oberholzrechtes von 1978 gedeckt. Die BaySF muss sich fragen lassen, warum sie dieser nicht legalisierten Rechtserweiterung ohne zwingenden Grund Vorschub leistet und der Staatskasse Einnahmen vorenthält. Der Rechtlerverband wiederum kann sich mitnichten auf verbriefte Rechte berufen, wenn im Zuge der kostenpflichtigen Brennholzselbstwerbung gewisse Teilmengen kostenlos abgegeben werden. Genau diese Teilmengen sind es aber, die inzwischen einen weitaus größeren Umfang einnehmen als das in frei gegebenen Hieben aufgearbeitete Rechtsholz.
Als besonders skurril ist die Tatsache zu werten, dass die kostenlose Abgabe von schwächerem Brennholz im Zuge der Selbstwerbung sogar zu einer Benachteiligung derjenigen führt, die bewusst kein Selbstwerbungsholz machen wollen und auf die fristgemäße Freigabe ihres Rechtsholzes warten. Zu diesem Zeitpunkt finden sie dann kaum noch brauchbares Rechtsholz vor, weil dieses zuvor unberechtigterweise an Selbstwerber abgegeben wurde.
Rechtliche Aspekte
- Das Oberholzrecht als wichtigstes Forstrecht im Staatswald des Spessarts ist an die zwingende Voraussetzung gebunden, dass der Staat (BaySF) zuvor Holzhiebe durchführt. Nur wenn aktiv Holz eingeschlagen wird, kann in Form des nicht aufgearbeiteten, im Bestand verbliebenen Restholzes das Produkt entstehen, auf das sich das grundbuchamtlich verbriefte Holzrecht bezieht. Wenn sich der Staat dazu entscheiden sollte, z.B. wegen der Errichtung eines Nationalparks, auf die Holznutzung zu verzichten, dann würde damit automatisch der Anspruch auf die Herausgabe von Oberholz erlöschen.
- Die Auswahl der Hiebe für die Rechtsholzgewährung geschah bisher im freien Ermessen der BaySF. Eine Projektarbeit am Forstbetrieb Rothenbuch kommt zu der Einschätzung, dass nur rund ein Viertel der fertiggestellten Hiebe auch tatsächlich frei gegeben wird. Obwohl dies nicht im Einklang mit den Rechtsbeschrieben steht, gab es dagegen niemals einen Einspruch des Verbandes der Spessartforstberechtigten.
Dies muss als Zeichen dafür gewertet werden, dass Brennholz in Hülle und Fülle zur Verfügung steht und die gängige Praxis anerkannt wird. Wenn also nur ein Viertel des potentiellen Rechtsholzes benötigt wird, so bedeutet dies auf die Fläche des Forstbetriebes bezogen, dass rund 4250 Hektar für die Bedarfsdeckung ausreichen. Außerhalb der Grenzen eines 10 000 Hektar großen Nationalparks würden im Forstbetrieb Rothenbuch aber noch rund 7000 Hektar Waldfläche liegen. Zusammen mit der Pflegezone von voraussichtlich 2500 Hektar innerhalb des Nationalparks würden für die Brennholznutzung also rund 9500 Hektar zur Verfügung stehen.
Das ist mehr als die doppelte Fläche von dem, was derzeit für die Rechtsholzausübung de facto genutzt wird. Warum sollte die BaySF also nicht auch nach Gründung eines Nationalparks ihren Ermessensspielraum nutzen, und die Hiebe nur dort frei geben, wo sie für einen Nationalpark unschädlich sind? Und warum sollte eine teilweise Zwangsablösung von Spessartforstrechten nicht möglich sein, wenn die übergroße Mehrheit der Berechtigten sie nicht mehr ausübt? Genauso gut wie die Duldung einer Handlungsweise zum Gewohnheitsrecht werden kann, muss auch die Nichtausübung eines Rechts zu dessen Abschaffung führen können. - Die o.g. Vereinbarung von 1978 regelt unter Punkt V.: „Soweit durch diese Vereinbarung von der Staatsforstverwaltung den Rechtlern Befugnisse eingeräumt werden, die über den Rechtstitel gem. den Spessart-Forstrechte-Vergleichen hinausgehen, geschieht dies unentgeltlich, aber in jederzeit widerruflicher Weise und ohne Anerkennung einer entsprechenden Rechtspflicht der Staatsforstverwaltung bzw. eines Rechtsanspruchs der Rechtler.“ Der Staat hätte also jederzeit die Möglichkeit, die gültige Vereinbarung zum Zweck des höherwertigen Zieles „Nationalpark“ zu kündigen. Sollte dies geschehen, so würde die Ausübung dieses Spessartforstrechtes auf die Bedingungen des 19. Jahrhunderts zurückgeworfen und in die absolute Bedeutungslosigkeit fallen. Die Suche nach Lösungen für die Brennholzfrage in einem künftigen Nationalpark wäre dadurch deutlich erleichtert.
Das von der BaySF in Auftrag gegebene Rechtsgutachten von Josef Geislinger geht auf die vorher genannten Aspekte entweder gar nicht oder nur unbefriedigend ein. Positionen, die die Rechtler begünstigen, werden besonders herausgestellt, während jene, die sie schwächen könnten, kaum zur Sprache kommen. Somit ist auch dieses Rechtsgutachten mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss.
Unabhängig davon wäre der Verband der Spessartforstberechtigten gut beraten, sich mit der wahren Bedeutung der Spessartforstrechte ehrlich auseinander zu setzen und an einer Lösung der Brennholzfrage konstruktiv mitzuarbeiten. Rechtsholz ist dabei das geringste Problem.