Offener Brief an Frau Dr. Stephanie zu Löwenstein

Dieser offene Brief (als E-Mail versandt) an Frau Dr. Stephanie zu Löwenstein ergeht gleichlautend und zeitgleich an:

  • die Damen und Herren Abgeordnete (-n):
    Martina Fehlner, Paul Knoblach, Judith Gerlach, Winfried Bausback, Thorsten Schwab,
    Gerald Pittner, Anna Stolz, Volkmar Halbleib, Kerstin Celina, Patrick Friedl, Helmut Kaltenhauser, Niklas Wagener, Berthold Rüth
  • den Landrat des Kreise Aschaffenburg, Alexander Legler und die Landrätin des Kreises Main-Spessart, Sabine Sitter, den Landrat des Kreises Miltenberg, Jens Marco Scherf, den Oberbürgermeister von Aschaffenburg, Jürgen Herzing
  • den Leiter des AELF Karlstadt, Ludwig Angerer
  • die Redaktionen der Tageszeitungen Main-Echo und Main-Post

Sehr geehrte Frau zu Löwenstein,

den Pressebericht im Main-Echo vom 2.10.21 haben wir, die „BB Freunde des Spessarts“ mit großem Interesse gelesen und uns damit auseinandergesetzt.

Vorab: einige Aussagen können wir absolut nicht nachvollziehen und teilen. So erklären Sie z.B., dass auf der von Ihnen bewirtschafteten Waldfläche von 6.800 ha ein jährlicher Zuwachs von 120.000 Festmeter (fm) Holz erzielt wird. Somit betrüge der Zuwachs je ha ca. 17,6 fm. Dieser Wert steht in krassem Gegensatz zu den Zuwachswerten von 11,69 fm/ha im Spessart (gem. der Bundeswaldinventur 2012). Dies würde bedeuten, dass der Zuwachs in Ihren Wäldern 50% über dem der Wälder im Spessart liegen würde, was schlichtweg unmöglich ist, zumal die starken Auflichtungen in Ihrem Wald eher auf einen unterdurchschnittlichen Holzvorrat und damit geringeren Zuwachs auf der Fläche hindeuten Das im Pressebericht gezeigte Foto einer vom Borkenkäfer zerstörten Fichtenmonokultur mit entsprechender Bildunterschrift erweckt den irrigen Eindruck, dass der Wald ohne die regelnde Hand des Menschen zugrunde geht. Dabei ist genau das Gegenteil hier der Fall. Hätte der Mensch nicht den ursprünglichen standortgemäßen Laubwald an dieser Stelle gefällt und durch eine nicht standortgerechte Fichtenmonokultur ersetzt, dann wäre es nie zu dieser Borkenkäferkalamität gekommen.

Den von Ihnen für den jährlichen Einschlag genannten Wert von 50.000 fm können wir zahlenmäßig nicht nachprüfen. Aber das Ergebnis in der Natur ist in unseren Augen erschreckend. Welcher Schaden den Buchenwäldern durch die von Ihnen hier praktizierte Forstwirtschaft im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2020 zugefügt wurde, machen die unten eingefügten Luftbilder und Fotos auf drastische Weise deutlich. Die Übersichtsfotos in Abb. 1 und 2 zeigen den gleichen Bereich. Das im Jahre 2000 noch weitgehend geschlossene Kronendach des Waldes ist 20 Jahre später durch sehr starke Eingriffe, stellenweise kahlschlagartige Bewirtschaftung durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Waldinnenklima, Wasserhaushalt und Oberbodenstruktur sind für das weitere Waldwachstum längfristig gestört.

Leider ist das kein Einzelfall. Wir haben inzwischen ca 20 Bereiche in Ihrem Forst entlang des Hafenlohrtals identifiziert, die ein ähnliches Bild abgeben. Die Veröffentlichung dieser Zustände in einer Landkarte im Internet haben wir in Vorbereitung. (Inzwischen fertiggestellt: siehe: hier) Die Lokalität 4 (Abb. 3 und 4, sei hier als Einzelbeispiel bei höherer Vergrößerung gezeigt. Das Luftbild von Anfang 2020 (Abb. 4) hinkt dabei der Realität noch hinterher. In der letzten Fällsaison 20/21 wurde nochmal etwa die Hälfte des dort noch verbliebenen Buchenaltbestandes von der Fläche geräumt. Dieser Bereich ist in dem Foto durch eine gepunktete blaue Linie umrandet. Ein Foto vor Ort (Abb.5) zeigt die momentane Situation. Der Buchenwald ist hier verschwunden und derzeit gibt es dort eher eine steppenartige Strauchlandschaft. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass die dort von Ihnen in Monokultur eingebrachten Douglasienbäumchen jemals einen stabilen Waldbestand bilden können, mitten in einer sich immer weiter verschärfenden Klimakrise? Sollten die Bäume jedoch anwachsen, dann haben wir dort einen standortfremden Nadelwaldbestand,wie er am unteren und rechten Bildrand bereits geschaffen wurde. Wer verspricht, dass diese Douglasien-Monokulturen in 100 Jahren nicht das gleiche Schicksal erleiden wie die Fichtenforste heute?

Wir beobachten seit Jahren mit großer Sorge, wie Ihr einst weit über die Grenzen des Spessarts hinaus bekannter herrlicher Buchenwald im Hafenlohrtal nach unserer Meinung maßlos ausgebeutet und in großen Teilen in einen gebietsfremden Nadelwald umgewandelt wird. Auch bestimmen Kahlflächen zunehmend in weiten Gebieten das Landschaftsbild. Die im Waldgesetz vorgeschriebene nachhaltige Nutzung im Sinne aller Waldfunktionen können wir nicht mehr erkennen. Der Großteil ihres Waldes im Hafenlohrtal unterliegt dem europäischen Schutzstatus eines Vogelschutzgebietes. Dieser Status erlaubt zwar die Forstwirtschaft, aber er enthält ein „Verschlechterungsverbot“. Kann das hier noch eingehalten sein?

Nach unserer Ansicht werden wir hier Zeuge einer systematischen Zerstörung von ökologisch hochwertigen, stabilen und für den Klimaschutz so wichtigen Laubwäldern und deren Überführung in eintönige Holzäcker. Die Art und Weise wie Sie dieses Waldgebiet bewirtschaften, geht für uns weit über ein ökologisch verträgliches und ethisch vertretbares Maß hinaus. Für uns alle geht ein Stück Spessartheimat verloren. Hier wird neben der Natur auch das regionaltypische Waldbild gravierend verändert und ein wertvoller Erholungsraum für lange Zeit unwiederbringlich zerstört. Ergänzend sei bemerkt, dass auch die immer wichtigere Rolle des Waldes als Kohlenstoffspeicher geschädigt wird.

Eigentum an der Natur ist, wie Sie selbst feststellen, auch dem Gemeinwohl verpflichtet. Deshalb kann sich, insbesondere in der aktuellen Klimakrise, ein Privatwaldbesitzer nicht ausschließlich auf die Nutzfunktion des Waldes berufen. Vielmehr hat er gleichrangig die sozialen und ökologischen Funktionen des Waldes zu berücksichtigen. In Ihrem, dem Fürstlich Löwenstein´schen Park im Hafenlohrtal, sind diese drei Säulen der Nachhaltigkeit nach unserer Meinung ganz offensichtlich aus den Fugen geraten. Deshalb gehen diese Zustände auch die Öffentlichkeit etwas an. Dies umso mehr, da auch öffentliche Gelder in Form von Förderungen an die Waldbesitzer fließen und in Zukunft wohl noch mehr fließen werden.

Die Freunde des Spessarts wenden sich heute mit der eindringlichen Bitte an Sie, die von Ihnen in den letzten Jahren und aktuell praktizierte Forstwirtschaft auf den Prüfstand zu stellen. Wir befinden uns in einer tiefen Klimakrise inmitten des vor allem auch zunehmend waldfeindlichen Klimawandels. Der Ökologie, dem Klimaschutz muss in der aktuellen Klimakrise absoluter Vorrang vor kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen eingeräumt werden. Der Wald muss in seiner Gesamtheit geschont und klimazuträglich bewirtschaftet werden. Ein „weiter so“ kann und darf es nicht geben!
Wir erbitten eine Stellungnahme und stehen gerne wir für ein konstruktives Gespräch zur Verfügung, durchaus auch bei einem gemeinsamen Begang Ihres Waldes.

Mit freundlichen Grüßen
Gez. Joachim Eich / Dr. Bernd Kempf / Heidi Wright (als Vertreter des Vorstandes der Bürgerbewegung Freunde des Spessarts)

Abb. 1: Luftaufnahme, Übersicht von 2000

Abb. 2: Luftaufnahme, Übersicht von 2020

Abb. 3: Luftaufnahme, Detail von 2000

Abb. 4: Luftaufnahme, Detail von 2020 – der Wald innerhalb der punktierten blauen Linie ist mittlerweile bis auf wenige Einzelbäume ebenfalls verschwunden. Wann folgt der Rest?

Abb. 5: Foto vom oberen Rand des Gebietes aus Abb. 4

Abb. 6: Foto vom unteren Rand des Gebietes aus Abb. 4 (Fotos B. Kempf, Okt. 2020)

Hier die vollständige pdf-Datei mit etwas größeren Fotos zum Download