Leserbrief von Prof. Dr. Rainer Lösch, Aschaffenburg, im Main Echo vom 6.9.2017

Die Eichen wurden zum Furnierwerk abtransportiert

»Wo sind die Leichen der Eichen geblieben?« fragt der Leserbriefschreiber. Antwort: Wohl in einem Furnierwerk, denn seine Vermutung B ist richtig! Tatsächlich lagen die Baumstämme Anfang der 80er Jahre sauber gefällt und bereit zum Abtransport unterhalb der Waldabteilung »Metzger« beidseits der Straße Weibersbrunn-Rothenbuch.

Ich habe zusammen mit einem Kollegen während der 70er Jahre die Exkursions-Unterrichtsveranstaltung »Waldgesellschaften in Unterfranken« für fortgeschrittene Biologie-Studenten der Universität Würzburg abgehalten. Dabei wurde, neben den Auwäldern am Main, den Eichen-Hainbuchen-Wäldern der Fränkischen Platte und den Buchen-Hochwäldern im Steigerwald und im Spessart bei der Exkursion zu letztgenanntem Ziel alljährlich auch der beeindruckende Eichenbestand im »Metzger« aufgesucht (damals mehrere Dutzend Alteichen auf der Parzellenfläche). Es müsste wohl deutlich über 100 – inzwischen pensionierte – Biologie-Lehrer in Nordbayern geben, unsere damaligen Studenten, von denen sich manche sicher noch erinnern, wie eindrucksvoll es war, dass drei Personen mit ausgebreiteten Armen nötig waren, den Stamm der mächtigsten dieser Eichen zu umfassen.

Anfang der 80er Jahre, mit Studenten einer norddeutschen Universität auf Exkursion, fand ich dort nur noch den abgesägten Stumpf dieses Baumes vor! Wir haben keine Jahrring-Analyse gemacht, konnten aber abschätzen, dass diese Stämme wohl gut 300 Jahre alt waren. Diese Eichen sind somit bald nach dem 30-Jährigen Krieg gekeimt. Ihre bis in etwa sieben Meter Höhe astfreien Stämme ließen erkennen, dass die Kronen der im Aufwuchs lichtbedürftigen Jungeichen in der Platzbehauptung gegenüber der Umgebungsvegetation von dieser »in die Höhe geschoben« wurden. Diese Standort-Konkurrenz bestand wohl tatsächlich aus Schatten-verträglicheren jungen Buchen, die aber offensichtlich keine Chance bekamen, die Eichen zu überwachsen.

Sie spendeten gerade so viel Schatten, dass sich an den Stämmen keine Wasserreiser bilden konnten (was später den Wert der Stämme als Furnierholz erheblich steigerte). Der Grund für das Konkurrenz-Gleichgewicht in der Jugendzeit dieser Eichen war möglicherweise die Köhlerei, bei der bevorzugt mittelstarke und gute Holzkohle liefernde Buchenstämme geschlagen wurden. Einmal deutlich über das Heister-Stadium hinausgewachsen, können sich Eichen in der Konkurrenz zu nachwachsenden anderen Bäumen, auch Buchen, trotz ihres höheren Lichtbedarfs durchaus halten. Erst recht gilt dies für alle mehr als ein Jahrhundert alten Eichenstämme und ihre Kronen. Die im zitierten Leserbrief genannte Hypothese A, dass (erst im 20. Jahrhundert!) Buchen die vorhandenen Eichen zum Absterben brachten, ist somit unhaltbar. Eine interessengeleitete Formulierung von Forstleuten »Eichen werden von Buchen abrasiert« klingt zwar griffig, ist aus botanisch-ökologischer Sicht aber Unsinn, zumindest, wenn es sich um schon etablierte Eichenbestände handelt!

Rainer Lösch, Pflanzenökologe, Aschaffenburg

 

Erschienen am 6.9.2017 im Main Echo