Leserbrief „Wo sind die Leichen der Eichen geblieben?“ von Dr. Bernd Kempf

„Es fehlen die Leichen der Eichen“ – Denkfehler in der Publikation von Hrn. Sinner?

Leserbrief / Statement zum Zeitungsartikel „Eichen werden von Buchen abrasiert“ im Main-Echo vom 8.8.2017

In dem Artikel wird auf einen kürzlich veröffentlichten Aufsatz von Herrn Sinner und Prof. Mosandl in der „Allgemeinen Forstzeitschrift“ hingewiesen. Ergebnis der Untersuchungen soll danach sein, dass die Buche die Eiche im NSG Metzger innerhalb von knapp 100 Jahren nahezu komplett eliminiert hat. Wäre das Ganze ein Kriminalfall, so würde man die Buchen des Massenmordes an den Eichen beschuldigen. Allerdings ist Mordanschuldigung immer problematisch, wenn man keine (viel zu wenig) Leichen vorweisen kann. Und genau das ist hier das Problem für den Kriminologen.

Sinner schreibt in seinem Aufsatz, dass von den ursprünglich rund 100 Eichen im NSG nur noch 12 lebende Eichen vorhanden wären. Dann stellt sich aber die Frage, wo die „Leichen“ der anderen 88 Eichen geblieben sind. Da in dem Gebiet nach seiner Aussage seit der Unterschutzstellung keinerlei Waldwirtschaft mehr betrieben wird, müssten diese ca 88 Eichen ja noch als tote Bäume im NSG stehen oder liegen. Aber so viele findet man bei weitem nicht! Stattdessen stößt man aber auf viel mehr Baumstümpfe.

Der Kriminologe, der den Massenmord an den Eichen aufzuklären hat, hat nun zwischen zwei Varianten zu wählen, um den Verbleib der 88 „Eichen-Leichen“ zu erklären:
• A: Er schließt sich der Erklärung von Herrn Sinner an, dass die Buchen die Eichen zum Absterben gebracht haben und dass die Kronen und Stämme dieser Eichen inzwischen komplett verrottet sind. Gleichzeitig muss er damit aber akzeptieren, die Stümpfe dieser Eichen heute noch überall im NSG stehen und auf wundersame Weise viel langsamer verrotten als die Stämme.
• B: Er kommt zu dem Schluss, dass die ganze Theorie mit dem „Mord an den Eichen durch die Buchen“ gar nicht stimmt, sondern dass es „einen anderen Mörder geben muss“. Soll heißen, die Eichen wurden schlicht illegal nach der Unterschutzstellung gefällt und abtransportiert. Diesen Natur-Frevel hat man verständlicherweise nicht den Akten dokumentiert und man kann deshalb heute auch nichts dazu in den Akten finden. Zum Beweis lässt er an einigen der Stümpfe Proben nehmen und bestimmt mittels Dendrochronologie deren exaktes Alter.

Ich möchte jedem Leser selber überlassen, welchen Erklärungsansatz er für plausibler hält. Wer sich der Variante B anschließt, wird gleichzeitig zu dem Schluss kommen, dass damit die Gegner eines Nationalparks im Spessart, zu denen Sinner und Mosandl gehören, eines ihrer Hauptargumente verlieren.

 

Eingereicht beim Mainecho: Mitte August 2017

Erschienen ohne Änderung: 29.8.2017