Leserbrief zu Artikel im Mainecho 23.2.2019: „Artenretten auch ohne eigenen Garten“

 

An dieser Stelle stand ein Leserbrief von unserer Seite, der sich kritisch mit dem o.g. Zeitungsartikel auseinander gesetzt hat.

Wir haben uns entschlossen, den Leserbrief selber wieder von unserer Seite zu nehmen, da er sich speziell auf einen einzelnen Landwirt bezog, über den in dem Artikel oben berichtet wurde. Es ging und geht uns aber nicht darum, einen einzelnen Landwirt an den Pranger zu stellen, sondern es geht darum, die Agrarpolitik im Ganzen kritisch zu hinterfragen. Daher haben wir die Sachargumente hier nochmal „personenneutral“ aufgearbeitet:

Die Bürgerbewegung Freunde des Spessarts hat sich aktiv für das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ eingesetzt, da der Erhalt und die Wiederherstellung der Artenvielfalt für unser Land von essentieller Bedeutung ist. Dies betrifft alle Lebensräume, die Agrarlandschaft, die Siedlungsräume und auch den Wald.

Grundsätzlich begrüßen wir daher jede Initiative, die zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Insekten führen kann. So auch die Vorschläge seitens der Landwirtschaft, die „Blühflächen zur Pacht“ anbieten. Wir plädieren aber auch dafür, solche Maßnahmen durchaus kritisch hinsichtlich ihres Kosten-Nutzenverhältnisses zu hinterfragen. Dazu einige Anmerkungen:

  • Üblicherweise werden solche Flächen in einer Stückelung von 100m² angeboten. Die Preise dafür bewegen sich zwischen 25€ – 90€. Nun hat 1 ha eine Fläche von 10.000m². Man kommt damit also auf Einnahmen von 2500-9000€ pro ha. Das sind recht hohe Werte, wenn man es zB mit Weizen als „Standardprodukt vergleicht. Die durchschnittliche Weizenernte in Bayern liegt bei ca 7 Tonnen pro ha /1/. Bei einem Weizenpreis pro Tonne von ca 180 – 190€ /2/ kommt man damit auf Einnahmen von weniger 2000€ pro Tonne. Es gibt aber sicher auch andere landwirtschaftliche Produkte mit höheren wirtschaftlichen Erträgen.
  • Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass Landwirte bereits heute vor allem über die EU umfangreiche Subventionen erhalten. Für die gesamte EU liegen diese bei 58 Mrd pro Jahr, für Deutschland bei ca 6 Mrd. Durchschnittlich wären dies lt. Spiegel 408€ pro ha /3/. Diese Zahlungen sind meist auch mit Umweltanforderungen verknüpft. Insofern hat die Gesellschaft durchaus ein Anrecht für diese Zahlungen eine gewisse Gegenleistung von der Landwirtschaft zu erwarten.
  • In der öffentlich zugänglichen EU-Datenbank /4/ kann sich jeder selbst informieren. Hier gibt es auch ausführliche Infos, welche Anforderungen mit den Zahlungen verknüpft sind. Außerdem sind hier die Zahlungen für alle Subventionsempfänger einzeln nach Subventionstopf aufgegliedert. Man findet hier durchaus Firmen, die Subventionen in Millionenhöhe pro Jahr erhalten. Auch am Untermain findet man Betriebe, deren Zahlungen sich auf über 100.000€ pro Jahr summieren.
  • Nehmen wir als Beispiel einen solchen Fall zur Analyse der Einzelposten, so findet man folgende Zahlen:
    EGFL: Basisprämie = ca 75.000€
    EGFL: Umverteilungsprämie = ca 2.000€
    EGFL: Greening-Prämie = ca 37.000€
    EGFL: Erstattung nicht genutzter Mittel der Krisenreserve = ca 1.500€
    ELER: Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen = ca 9.000€
    ELER: Ausgleichszulage benachteiligte Gebiete = ca 2.000€
  • 3 der insgesamt 6 Einzelprämien haben heute schon konkrete Zielsetzungen Richtung Natur-, Klima- und Artenschutz in ihren Bestimmungen. Und zwar:
    EGFL: Basisprämie (…. finanzieller Ausgleich für die weit höheren Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards in der EU …)
    EGFL: Greening-Prämie (….dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden, das sogenannte „Greening“, einhalten ….)
    ELER: Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (…die Honorierung aktiver Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen ….)
  • Bei dem hier gewählten Beispiel sind das mehr als 95% der kompletten Agrarsubventionen! Wir haben das nicht en detail überprüft, aber es sieht bei einigen Bsp. so aus, als wenn die Verteilung der Agrarsubventionen immer ähnlich wäre. Das führt zu einer beunruhigenden Schlussfolgerung: Obwohl seit Jahrzehnten viele Milliarden € an Agrarsubventionen gezahlt worden sind – fast alle mit Naturschutz-/Umweltschutz-Auflagen – haben wir in diesem Zeitraum das dramatischste Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier auf unserem Planeten. Sind wir hier überhaupt auf dem richtigen Weg?
  • Trotzdem begrüßen wir es natürlich sehr, dass wir in Bayern nun das Volksbegehren geschafft haben und dass es (nach einer gewissen Kehrtwende des Bauerverbandes bzgl. der Mitverantwortung der Landwirtschaft) nun auch in Gesetzesform gegossen wurde. Wir hoffen sehr, dass wir hier die Trendwende schaffen. Das kann man erst in 3-5 Jahren oder noch länger an den Ergebnissen festmachen und nur da: Gibt es wieder mehr Kiebitze und Feldlerchen auf unseren Feldern und mehr Wildbienen und Schmetterlinge? Nur mit größter Transparenz bei Zahlungen und Ergebnissen wird man das wahre Resultat einschätzen können.

/1/ Weizenertrag pro ha

/2/ Weizenpreis pro Tonne

/3/ 408€ pro ha ist die durchschnittliche Subvention lt. Spiegel

/4/ https://www.agrar-fischerei-zahlungen.de/Suche